Verbrauch des begünstigten Einkommenssteuersatz bei Betriebsveräußerung/-aufgabe auch bei unrechtmäßiger Gewährung
Themen-Überblick
- Überblick über die Steuervergünstigungen für Betriebsveräußerungen im Ganzen bzw. Betriebsaufgabe
- Was ist im Urteilsfall schiefgelaufen und welche steuerrechtlichen Nachteile können in diesem Zusammenhang entstehen?
- Wodrauf sollten Sie bei Ihrer Betriebsveräußerung achten (Steuerberater-Tipps)?
BFH vom 28.09.2021 - VIII R 2/19 am 31. Januar 2022
Mit vom Urteil vom 28.09.2021 - VIII R 2/19 - hat der BFH entschieden, dass
das Wahlrecht auf den ermäßigten Einkommenssteuersatz (56% des durchschnittlichen Steuersatzes) auch dann verbraucht ist, wenn das Finanzamt die Vergünstigung zu Unrecht bereits in früheren Veranlagungszeiträumen gewährt hat.
Ein Verbrauch es einmaligen Wahlrechtes liegt selbst dann vor, wenn die Gewährung der Vergünstigungen ohne Antrag des Steuerpflichtigen geschieht und ein Betrag begünstigt besteuert wurde, bei dem es sich tatsächlich nicht um einen begünstigungsfähigen Veräußerungsgewinn gehandelt hat.
Für den Verbrauch ist allein entscheidend, dass sich die Vergünstigung auf die frühere Steuerfestsetzung ausgewirkt hat und sie dort nicht mehr rückgängig gemacht werden kann.Etwas anderes gilt nach den Grundsätzen von Treu und Glauben nur dann, wenn die unrichtige Gewährung der Vergünstigung in dem früheren Einkommenssteuerbescheid für den Steuerpflichtigen angesichts der geringen Höhe der Vergünstigung und wegen des Fehlens eines Hinweises des Finanzamtes nicht erkennbar war.
Unsere Urteilskommentierung sowie Steuerberater-Tipps aus Kassel:
Nicht wenige Unternehmer und Selbstständige haben einen Großteil Ihres Vermögens in Ihrem Unternehmen gebunden.
Insbesondere zur Absicherung der Altersvorsorge hat der Gesetzgeber für Gewerbetreibende und Freiberufler unter gewissen Voraussetzungen die Möglichkeit vorgesehen,
- einen ganzen Betrieb,
- einen Teilbetrieb,
- eine das gesamte Nennkapital umfassende Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft oder
- einen gesamten Mitunternehmeranteil an einer gewerblichen oder freiberuflichen Personengesellschaft
unter Aufdeckung der stillen Reserven steuerbegünstigt im Ganzen zu veräußern oder aufzugeben.
Als Steuerbegünstigungen kommen in Frage:
- ein Freibetrag von bis zu 45.000 EUR: auf Antrag einmalig im Leben nach Vollendung des 55. Lebensjahrs oder nach Eintritt der dauerhaften Berufsunfähigkeit im sozialversicherungsrechtlichen Sinne. Übersteigt der Veräußerungs- oder Aufgabegewinn 136.000 EUR, schmilzt der Freibetrag ab. Bei einem Veräußerungs- oder Aufgabegewinn von 181.000 EUR wird kein Freibetrag mehr gewährt.
- Steuersatzvergünstigungen:
- Tarifbegünstigung Fünftelmethode
- ermäßigter Einkommensteuersatz (56% des durchschnittlichen Steuersatzes auf maximal 5 Mio. EUR des Veräußerungs- oder Aufgabegewinns): auf Antrag einmalig im Leben nach Vollendung 55. Lebensjahr oder nach Eintritt der dauerhaften Berufsunfähigkeit im sozialversicherungsrechtlichen Sinne
Auf was sollten Sie bei Ihren Verkauf/Aufgabe achten, wenn Sie (gerade mehrere) begünstigungsfähige (Teil)Betriebe bzw. Beteiligungen im vorstehenden Sinne haben?
- Sofern möglich, erstellen Sie möglichst frühzeitig eine langfristige Steuerstrategie, welche auch die späteren Veräußerungen im Ganzen sowie Betriebsaufgaben berücksichtigt.
So haben Sie und Ihr Steuerberater im Blick, für welchen Betrieb oder Beteiligung welche Vergünstigung genutzt werden soll, so dass mögliche Fehler des Finanzamtes rechtzeitig auffallen. - Verlassen Sie sich nicht auf den Grundsatz von Treu und Glauben.
Sind Sie steuerlich vertreten und legt Ihr Steuerberater keinen Einspruch gegen die unrechtmäßige Vergünstigung in Vorjahren ein, so müssen Sie grundsätzlich den Verbrauch der Steuervergünstigung gegen sich gelten lassen. - Achten Sie bei der Veräußerung oder Aufgabe eines gesamten Mitunternehmeranteils darauf, dass bereits im gesonderten Feststellungsbescheid der Mitunternehmerschaft über die Frage zu entscheiden ist, ob und in welchem Umfang es sich um einen begünstigtenVeräußerungs- und Aufgabegewinn i. S. d. § 34 EStG handelt.
Die Einordnung der begünstigten Einkünfte muss folglich bereits im gesonderten Feststellungsbescheid erfolgen und kann nach Bestandskraft dieses Feststellungsbescheides nicht mehr auf Ebene der Einkommenssteuer geändert werden. Folglich kann auch ein unrichtiger Feststellungsbescheid Ihnen die Steuervergünstigungen kosten.
Wenn Sie noch keine langfristige Steuerstrategie unter Einbezug von möglichen Steuervergünstigung einer später absehbaren Betriebsveräußerung im Ganzen oder Betriebsaufgabe haben, kontaktieren Sie uns gerne.
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