Tarif­begünstigte Betriebs­ver­äußerung im Ganzen bei Frei­berufler­praxen – Wieder­auf­nahme der Tätig­keit des Ver­äuße­rers

09.04.2020 BFH vom 11.02.2020 - VIII B 131/19 am 12. April 2020

Der BFH hat mit Ur­teil vom 09.04.2020 der re­strik­ti­ven Ver­wal­tungs­auf­fas­sung ei­ne Ab­sa­ge er­teilt, mit wel­cher das Fi­nanz­amt häu­fig zum Nach­teil von Frei­be­ruf­lern die steu­er­li­che Be­güns­ti­gung des Frei­be­tra­ges nach § 18 Abs. 3 i.V.m. 16 Abs. 4 EStG (ma­xi­mal 45.000 Eu­ro) so­wie hin­sicht­lich der Ta­rif­be­güns­ti­gung des steu­er­pflich­ti­gen Teils des Ver­äu­ße­rungs­ge­winns ver­sagt hat­te.

Vor­aus­set­zung für die Ta­rif­be­güns­ti­gung ist, dass der Be­triebs­ver­äu­ße­rer zu­min­dest für ei­ne ge­wis­se Zeit am bis­he­ri­gen ört­li­chen Wir­kungs­kreis sei­ne bis­he­ri­ge frei­be­ruf­li­che Tä­tig­keit ein­stellt. Der BFH stellt klar, dass es grund­sätz­lich kei­ne star­re zeit­li­che Gren­ze für die Tä­tig­keits­ein­stel­lung gibt und je­weils die Um­stän­de des Ein­zel­falls ent­schei­dend sind.

Ei­ne wei­te­re Mit­ar­beit des Be­triebs­ver­äu­ße­rers als an­ge­stell­ter oder frei­er Mit­ar­bei­ter des Er­wer­bers nach Be­triebs­ver­äu­ße­rung ist auch un­schäd­lich.

Un­schäd­lich ist auch ei­ne ge­ring­fü­gi­ge Fort­füh­rung der bis­he­ri­gen frei­be­ruf­li­chen Tä­tig­keit, so­fern die auf die sie ent­fal­len­den Be­triebs­ein­nah­men we­ni­ger als 10% der Be­triebs­ein­nah­men der letz­ten 3 Jahr vor Be­triebs­ver­äu­ße­rung im Durch­schnitt aus­ma­chen. Dies gilt auch dann, wenn die ge­ring­fü­gi­ge Fort­füh­rung der bis­he­ri­gen frei­be­ruf­li­chen Tä­tig­keit die Be­treu­ung neu­er Man­da­te ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Fi­nanz­ver­wal­tung um­fasst.

Unser Steuerberater-Tipp aus Kassel: Als Steu­er­be­ra­ter be­grü­ßen wir die­se wich­ti­ge Klar­stel­lung des BFH, wei­sen aber im Hin­blick auf die vor­ge­nann­ten Steu­er­vor­tei­le dar­auf hin, dass wei­ter­hin al­le we­sent­li­chen Be­triebs­grund­la­gen, ins­be­son­de­re die im­ma­te­ri­el­len Wirt­schafts­gü­ter der Pra­xis wie Man­dan­ten­stamm bzw. Pra­xis­wert, de­fi­ni­tiv auf ei­nen Drit­ten ent­gelt­lich über­tra­gen wer­den müs­sen.

Nimmt der Ver­äu­ße­rer sei­ne frei­be­ruf­li­che Tä­tig­keit nach ei­ner ge­wis­sen Zeit wie­der auf, kann dies auch dann schäd­lich sein, wenn die Wie­der­auf­nah­me zum Zeit­punkt der Über­tra­gung der Pra­xis nicht ge­plant war.

In dem BFH-Ur­teil wird aus­drück­lich ei­ne War­te­zeit von zwei bis drei Jah­ren un­ter Be­ach­tung der Um­stän­de des je­wei­li­gen Ein­zel­fal­les als aus­rei­chend ge­nannt. So­mit emp­feh­len wir als Steu­er­be­ra­ter grund­sätz­lich wei­ter die War­te­zeit von zu­min­dest zwei Jah­ren so­wie die Ge­ring­fü­gig­keits­gren­zen ein­zu­hal­ten.