Zinsen für Steuernachzahlungen und Steuererstattungen verfassungswidrig –Auswirkungen erst für die Zukunft

BVerfG vom 08.07.2021 - 1 BvR 2237/14, BvR 2422/17 am 19. August 2021

Mit dem vorgenannten Beschluss erklärt das Bundesverfassungsgericht erwartungsgemäß die den Zinssatz von 6% p. a. auf Nachzahlungs- und Erstattungsbeträge nach §§ 233a, 238 Abs. 1 Satz 1 Abgabenordnung zur Einkommen-, Körperschaft-, Umsatz- oder Gewerbesteuer ab 2014 für verfassungswidrig.

Auf den ersten Blick sind die Rechtsfolgen dieses Beschlusses im Ergebnis ernüchternd, da es erst für Zinszeiträume ab 2019 zu einer verpflichtenden Neuregelung kommen wird. Denn Nachzahlungs- und Erstattungszinsen für Zinszeiträume ab 2019 fallen nach der coronabedingten Billigkeitsreglung des Bundesministerium der Finanzen sowieso erst ab dem 01.10.2021 an, weshalb aktuell noch keine Zinsbescheide für 2019 erlassen sind.

Für die Zinszeiträume 2014 bis 2018 ergeben sich gemäß des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts mit folgender profiskalischen Begründung keine verpflichtenden Auswirkungen: „Aus besonderem Grund, namentlich im Interesse einer verlässlichen Finanz- und Haushaltsplanung und eines gleichmäßigen Verwaltungsvollzugs für Zeiträume einer weitgehend schon abgeschlossenen Veranlagung hat das Bundesverfassungsgericht allerdings wiederholt die weitere Anwendbarkeit verfassungswidriger Normen für gerechtfertigt erklärt.“

Wie geht es jetzt mit der Verzinsung von Steuernachzahlungs- und Steuererstattungsbeträgen für den Zinszeitraum 2019 ab dem 01.10.2021 weiter bzw. was sind die erwartbaren Folgen?

Der Gesetzgeber ist bis zum 31.07.2022 aufgefordert, rückwirkend eine verfassungskonforme Neuregelung zu schaffen. Insoweit bleibt es abzuwarten, auf Basis welcher Prozentsätze Nachzahlungs- oder Erstattungszinsen zukünftig berechnet werden.

Mangels Anwendbarkeit der bisherigen Verzinsungsregel für Nachzahlungs- und Erstattungsbeträge kann das Finanzamt nach unserer Auffassung vorerst grundsätzlich keine Nachzahlungs- oder Erstattungszinsen für Zinszeiträume ab 2019 bis zur Gesetzesänderung erheben. Da jedoch die neue Gesetzesregel rückwirkend zu treffen ist, ist damit zu rechnen, dass eine geringere Verzinsung rückwirkend festgelegt wird und die entsprechenden Zinsbescheide für 2019 erst später ergehen werden.

Inwieweit das Urteil des Bundesverfassungsgerichts auch Auswirkung auf andere Steuervorschriften hat, denen ein ähnlicher zugrunde liegt, bleibt abzuwarten. Die Entscheidung betrifft ausdrücklich nur Nachzahlungs- oder Erstattungszinsen, nicht jedoch beispielsweise Stundungs- und Hinterziehungszinsen oder die Abzinsungssätze für gewisse Rückstellungen und Verbindlichkeiten.

Wir werden Sie über den weiteren Fortgang informieren.