Aus dem vorgenannten Beschluss des BFH lassen sich folgende Grundsätze zusammenfassen:
Das Wahlrecht für die Ermittlung des gemeinen Wertes von Anteilen an einer nicht börsennotierten Kapitalgesellschaft zwischen individuellen Ertragswertverfahren (z. B. IDW S1 Gutachten) im Sinne von § 11 Abs. 2 S. BewG oder steuerlichen vereinfachten Ertragswertverfahren gemäß § 199ff BewG steht allein dem Steuerpflichtigen und nicht dem Finanzamt zu.
Der BFH betonte in seinem Beschluss, dass es keine Darlegungspflicht des Steuerpflichtigen bei Anwendung der individuellen Wertermittlung nach Ertragsaussichten gibt, warum das gewählte individuelle Wertermittlungsverfahren gegenüber dem vereinfachten Ertragswertverfahren vorzugswürdig ist.
Das Finanzgericht muss ggf. bestehende Lücken im individuellen Ertragswertgutachten im Rahmen der gesetzlichen Sachaufklärungspflicht schließen (Amtsermittlungsgrundsatz).
Unsere Unternehmensbewerter-Urteilskommentierung und Bewerter-Tipps aus Kassel:
Als Unternehmensbewertungsspezialisten (Certified Valuation Analyst) wissen wir, dass häufig
Streit mit dem Finanzamt hinsichtlich der
Anerkennung individueller Wertgutachten droht.
Da inzwischen regelmäßig spezialisierte Mitarbeiter der Finanzverwaltung an Bewerterkonferenzen teilnehmen, hat die Finanzverwaltung trotz des BFH-Urteils häufig leichtes Spiel mit dem
„Aushebeln“ von Bewertungsgutachten von nicht auf Bewertungsfragen spezialisierten Berufskollegen
wegen offenkundiger Fehler.
Der vorliegende
Urteilsfall könnte auch die Rückverweisung an das Finanzgericht nicht unwesentlich beeinflusst haben und sollte daher relativiert betrachtet werden:
Für Zwecke der Erbschaftssteuer musste der Wert einer
Minderheitenbeteiligung von rund 17 % an einer Kapitalgesellschaft bewertet werden, wobei den beiden Mitgesellschaftern zudem noch Sondergewinnbezugsrechte zu Lasten der Steuerpflichtigen zustanden. Der beauftragte Unternehmensbewerter konnte mangels Zugriff auf notwendige Informationen des zu bewertenden Unternehmens nur eine indizielle Wertermittlung in Anlehnung an IDW S1 anstelle eines vollständigen Unternehmensbewertungsgutachten gemäß IDW S1 erstellen, wobei der Unternehmensbewerter u. a. die Ertragsprognose im Wesentlichen auf Basis der angepassten historischen Jahresergebnissen abgeleitet hatte.
Der so
vom Unternehmensbewerter ermittelte und in der Erbschaftssteuererklärung erklärte Anteilswert belief sich auf rund
6,4 Mio. EUR, wohingegen der vom Finanzamt ermittelte Anteilswert
durch Anwendung des vereinfachten Ertragswertverfahrens rund 14 Mio. EUR betrug.
Nach Feststellung des Finanzgerichts Düsseldorf führe die Anwendung des
vereinfachten Ertragswertverfahrens trotz Vorliegen der erheblichen Wertdifferenz
nicht zu unzutreffenden Ergebnissen.
Der
BFH hob das Urteil des Finanzgerichts auf und wies das Verfahren zurück an das Finanzgericht. Nach Auffassung des BFH hatte das Finanzgericht seine
Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung dadurch
verletzt, dass es die vorgelegte indizielle Wertermittlung analog IDW S1 weder beachtet noch ergänzt oder angepasst hat.
Was sollten Sie
bei steuerlichen Unternehmensbewertung beachten?
Für Minderheitengesellschafter könnte die Vereinbarung einer gesellschaftsrechtlichen Regelung zielführend sein, womit die Kapitalgesellschaft zur Mitwirkung bei gesellschaftsbezogenen Anteilsübertragungen verpflichtet wird. Dies gilt umso mehr, wenn der Gesellschaftsvertrag oder Satzung ein Einziehungs- oder Abtretungsrecht der Gesellschaft im Todesfall eines Gesellschafters einräumt.
Lassen Sie ein Bewertungsgutachten zur Streitvermeidung immer nur von einem auf Unternehmensbewertung spezialisierten Unternehmensbewerter erstellen. Zu den Grundsätzen eines ordnungsgemäßen Bewertungsgutachtens gehören insbesondere methodische Qualität als auch eine zutreffende Erhebung und Dokumentation der Begutachtungsgrundlagen. Bereits kleine Formfehler werden häufig vom Finanzamt zum Anlass genommen, ein Unternehmenswertgutachten abzulehnen.
Es muss auch bezweifelt werden, dass das Finanzgericht in jedem Fall im Rahmen der gerichtlichen Sachaufklärungspflichten angehalten ist, ein mit erheblichen Fehlern versehendes Gutachten auszuwerten und zu ergänzen hat. Im Urteilsfall hatte die Steuerpflichtige scheinbar aufgrund Ihrer Minderheitenstellung keine Chance, sämtliche Bewertungsgrundlagen zu erheben und musste sich von daher zwangsläufig gewissen Schätzungen und allgemeinen Informationsquellen bedienen. Anders könnte der Fall beurteilt werden, wenn Sie Zugriff auf alle Bewertungsgrundlagen haben und diese nicht adäquat im Bewertungsgutachten einfließen lassen.
Verlassen Sie sich nicht darauf, dass das Finanzgericht eine eigene Begutachtung anordnet. Sie können bis zur Beendigung der mündlichen Verhandlung ein Parteigutachten in das Verfahren einbringen. Ein solches Gutachten bindet das Finanzgericht zwar nicht, darf gemäß dem BFH-Urteil jedoch nicht durch das Finanzgericht grundsätzlich missachtet werden. Ihr Ziel sollte es sein, möglichst frühzeitig im Besteuerungsverfahren ein qualifiziertes Unternehmenswertgutachten einzubringen, um eine langjährige und kostspielige Auseinandersetzung mit dem Finanzamt zu vermeiden.
Bei Fragen zur Ihrer Unternehmens- oder Anteilsbewertung wenden Sie sich gerne bei uns an Herrn Dipl.-Kfm. WP StB Timo Weltz | Zusatzqualifikationen: Fachberater für Unternehmensnachfolge (DStV e.V.), CVA (EACVA e. V., Spezialist für Unternehmensbewertung), Fachberater für Testamentsvollstreckung und Nachlassverwaltung (DStV e.V.)
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